„Ernährung muss einfach sein und vor allem Spaß machen!“
Zu viel. Zu fett. Zu süß. Zu salzig. Viele Deutsche ernähren sich viel zu unausgewogen – und alles andere als gesund. Grund genug, bei Internistin und Bestsellerautorin Dr. Anne Fleck nachzuhaken. Im Exklusiv-Interview verrät die gebürtige Saarländerin ihre wichtigsten Tipps in Sachen gesunde Ernährung.
Frau Dr. Fleck, der Anteil der übergewichtigen Menschen in unserer Bevölkerung wächst stetig. Haben wir hiernicht schon einen Punkt erreicht, der gerade aus medizinischer Perspektive als problematisch bezeichnet werden kann?
Dr. Anne Fleck: Krankhaftes Übergewicht ist in der Tat ein Problem, das gesamtgesellschaftlich immer größere Dimensionen einnimmt. Leider werden die Gefahren, die schlechte Ernährungsgewohnheiten, Bewegungs- und Schlafmangel mit sich bringen, zu oft verkannt oder verdrängt. Aber nicht nur die klassisch Übergewichtigen sind in Gefahr, sondern auch die Gruppe der „dünnen Dicken“, der sogenannten TOFIs, was abgekürzt für „Thin Outside, Fat Inside“ steht. Diese Menschen haben, bedingt durch eine entzündliche Veränderung der Fettzellen aufgrund chronischer Fehlernährung und Bewegungsmangel, die gleichen Krankheitsrisiken wie übergewichtige Menschen. Diese Gruppe macht 30 Prozent der Bundesbürger aus und wird extrem unterschätzt.
Von welchen Krankheiten sprechen wir denn konkret?
Mit der wachsenden Zahl fettleibiger Menschen und der TOFIs steigt auch die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle sowie chronischer Erkrankungen wie Diabetes, Demenz oder Krebs. Besonders gefährlich ist das viszerale Bauchfett, also Fett, das sich um unsere Organe legt, unser Immunsystem schwächt und gefährliche Entzündungsherde mit sich bringt. Die gute Nachricht: Mit der richtigen Ernährung kann man das böse Bauchfett zum Schmelzen bringen und damit auch den Entzündungsherden wirksam entgegentreten.
Was genau müssen wir denn an unserem Essverhalten ändern?
Meist genügen schon kleine Stellschrauben, mit denen wir schlechte Gewohnheiten ablegen können. Grundsätzlich sollten wir nur dann den Kühlschrank öffnen, wenn wir echten Hunger verspüren, und sobald wir satt sind, Messer und Gabel entspannt zur Seite legen. Obendrein würde es helfen, wenn wir alle uns frischer, vollwertiger und ausgewogener ernährten. Darmgesunde Kost liefert reichlich Ballaststoffe, Faserstoffe, Vitamine, Mineralien und gesunde Fette wie frisch gepresste Algenöle. Reichlich Gemüse, frische Kräuter und Salat sind allemal besser als fiese Kalorienbomben wie Döner, Pommes, Bockwurst oder Fertigpizza.
Von drei Karotten wird aber doch niemand satt, oder?
Niemand muss weniger essen, hungern oder sich vegan ernähren. Wenn die pflanzenbasierte Kost mehr als die Hälfte des Tellers füllt, sind Sie schon auf einem guten Weg. Es gibt so wunderbare, fein schmeckende Gemüsesorten, die Power geben, schlank halten und zugleich ein Freudenfest für unsere Gesundmacher-Darmbakterien sind.
Was ist Ihr persönliches Lieblingsgericht?
Generell alles, was gut schmeckt und frisch zubereitet ist – mit „ehrlichen“ Lebensmitteln. Aber am liebsten mag ich Gemüsepasta in bunten Variationen, Gerichte mit bitterstoffreichen Lebensmitteln wie Radicchio, Chicorée oder Löwenzahn. Auch einer meiner Favoriten: die mediterrane Küche. Sie schneidet in Studien am besten ab. Frisches Obst wie Beeren oder Melonen schätze ich ebenso, genau wie die Avocado. Die hat eine optimale Fettsäurebilanz, enthält Ballaststoffe sowie viel Vitamin C, E und etwas Vitamin D3. Leider braucht die Pflanze viel Wasser in der Wachstumsphase und weist einen schlechten ökologischen Fußabdruck auf.
Gummibärchen, Bonbons, Pralinen: Tagsüber greifen viele in die Süßigkeitenschublade. Wo liegt hier das Problem?
Das ist nicht nur nicht gut für unsere Zähne. Zucker, aber auch Süßstoffe, katapultieren unseren Insulinspiegel in die Höhe, bringen Stoffwechsel und Darmflora durcheinander und befeuern Entzündungen im Körper. Aus ernährungsphysiologischer Sicht hat unser Körper keinen Bedarf an Zucker, ein gesunder Anteil an langsam verdaulichen und ballaststoffreichen Lebensmitteln reicht völlig aus.
Also Finger weg von allem Süßen?
Die Dosis macht das Gift. Gegen ein gelegentliches Stück Kuchen oder Schokolade ist nichts einzuwenden. Allerdings sollte der Griff in die Süßigkeitenschublade nicht zu einem täglichen Ritual werden. Bonbons und Butterkekse taugen auch nicht als Trostpflaster, um negative Gefühle wie Leere, Langeweile, Stress und Frust zu kompensieren.
Was halten Sie von Diäten?
Nichts. Allein schon wegen des Jo-Jo-Effekts. Ich kenne viele Menschen, die sich über Jahrzehnte dick gehungert haben, die ihren Körper mit übertriebenen, absurden Diäten stressen und ihren Stoffwechsel ruinieren. Stattdessen mein Rat: Regelmäßig essen, mit Genuss, Freude, gutem Kauen und langen Pausen zwischen Abendessen und Frühstück. Wer dauerhaft gesund bleiben will, sollte lieber langfristig etwas ändern – und auf seinen eigenen Körper hören. Ernährung muss Spaß machen, einfach und alltagstauglich sein und zu den eigenen, individuellen Verträglichkeiten und Vorlieben passen.
Die Doc-Fleck-Methode: Drei Ernährungstipps zum Gesundbleiben
- Auf eine bunte Vielfalt kommt es an
Essen Sie eine breite Palette von Obst, Gemüse, Kräutern und Vollkornprodukten, Pilzen, Geflügel, Fisch, Eiern oder Hülsenfrüchten nach individueller Vorliebe und Verträglichkeit. Gesunde Fette, die vor allem in Olivenöl oder frischen Algenölen enthalten sind, sind ebenso essenziell. Auch Nüsse und Samen sorgen für die entsprechende „Kern-Energie“. - Essen Sie mit Achtsamkeit und Bedacht
Heißt: Nicht essen, wenn es hektisch zugeht oder wenn Sie im Stress sind. Nicht mit dem Smartphone in der Hand, nicht im Stehen nebenbei und auch nicht vor dem Fernseher. Denn nur wenn wir entspannt sind und achtsam kauen, funktioniert unsere Verdauung optimal und wir spüren, wann wir wirklich satt sind. - Gut gekaut ist halb verdaut
Kauen Sie Ihr Essen, bis es breiig ist, denn die Verdauung beginnt nicht erst im Magen, sondern schon im Mund. Durch ordentliches Kauen können die Mikronährstoffe optimal im Körper aufgenommen werden, wir beugen Krankheiten vor und können sogar bis zu 11 Kilogramm Körpergewicht pro Jahr verlieren.