F rau Hansen-Krewer, Sie sind zertifizierte Doula (nichtmedizi- nische Geburtsbegleiterin) und betreuen Frauen, die ihr im Mutterleib viel zu früh verstorbenes Kind auf natürlichem Weg zur Welt bringen möchten. Wie genau sieht Ihre Unterstützung aus? Nach einem kurzen Kennenlernen erkläre ich den Müttern, was für die Kleine Geburt benötigt wird, und spreche mit ihnen über ihre Gefühlslage. Mütter haben in der Zeit des Wartens die Möglichkeit, das Vertrauen in ihren Körper und die Selbstbestimmung wiederzuentdecken. Besondere Ritu- ale erleichtern diese Phase und geben Halt. Trotz der oftmals tiefen Traurigkeit entwickeln Mütter ungeheure Kräfte und realisieren, wozu sie und ihr Körper in der Lage sind. Von außen braucht es vor allem Verständnis, offene Ohren, offene Arme und die Fähigkeit, die Trauer mit auszuhalten. Was sagen Sie Sternenmüttern, die sich nach der Diagnose schuldig fühlen? Keine Mutter trägt Schuld an einem Schwangerschafts- verlust. Es gibt Dinge im Leben, die wir leider nicht be- einflussen können. Hilfreich ist das Vertrauen in das große Ganze, der Glaube an einen Seelenplan, der für unsere und andere Seelen vorgesehen ist. Des Öfteren arbeite ich mit Müttern, die ihren Frieden nach einer negativen Geburts- erfahrung nicht wiederfinden konnten. Hier sind Schuld und Reue ein großes Thema, welches gut und liebevoll bearbeitet werden kann. Sie sind selbst mehrfache Sternenmama. Welche Unterstützung haben Sie erfahren? Ich selbst erhielt nach der Diagnose meiner Fehlgeburt lediglich eine Überweisung zur Ausschabung. Man riet mir, bei starker Blutung die 112 zu rufen. In Ihrem Buch „Stille Geburten sind auch Geburten und Sternen- eltern sind auch Eltern“ weisen Sie auf Missstände hin, die es in unserer Gesellschaft im Umgang mit Fehlgeburten gibt. Was müsste sich Ihrer Ansicht nach ändern, um die Situation von Sterneneltern zu verbessern? Meine Erfahrung zeigt, dass viele emotional überfordert und auch schwer getroffen sind, wenn es um den Verlust eines Kindes geht. Beginnen würde ich bei der Aus- und Fort- bildung des Fachpersonals, dem es oftmals an Feingefühl fehlt. Für die Gesellschaft wünsche ich mir einen ehrlichen Umgang mit dem Thema Trauer. Es ist keiner vor einem Verlust gefeit und ein Einander-Halten wäre hilfreich. Sie sprachen gerade das Thema Fortbildung an. Neben Ihrer Tätigkeit als Doula sind Sie hier auch aktiv … Ja, meine Fortbildung „Emotionale Begleitung Kleiner Geburten“ ist seit mehr als zwei Jahren regelmäßig gut be- sucht. Es war mir wichtig, mein erarbeitetes Wissen, eigene Erfahrungen und Skills in besonderer Form zu vermitteln. Wer an dieser Fortbildung teilnimmt, lernt unter anderem, welchen Einfluss die psy- chische Stabilität auf die Verabschiedung des Kin- des und die Geburt hat und was es braucht, um selbstsicher und stabil begleiten zu können. Um verstehen zu können, was eine Kleine Geburt bedeutet, zeige ich ehrliche Fotos von Babys, Koagel, Gewebe und Fruchthöhlen. SERVICE Corinna Hansen-Krewer, Doula und Autorin Möchten Sie uns erzählen, warum Sie dem Thema Aus schabung kritisch gegenüberstehen? Erfahrungsgemäß erleiden die Mütter mit der Diagnose einen Schock. Leider wird darauf selten Rücksicht genom- men; im Schockzustand erfolgt oft die OP, das Kind wird entfernt. Aufgrund der Hormone fühlen sich die Frauen erst einmal weiterhin schwanger, sie befinden sich im Wochen- bett, über das keiner spricht. Ganzheitlich betrachtet, be- deutet das: Der Körper ist schon weiter, Seele und Herz der Mutter kommen jedoch nicht nach. Es ist die Entscheidung der Mutter, auf welche Art sie die Geburt erleben möchte. Allerdings rate ich dazu, sich Zeit zu nehmen, um das Kind emotional und energetisch zu verabschieden. Wichtig für Mütter: Sie haben zudem Anspruch auf die Begleitung einer Hebamme und auf allumfassendes Wissen über die natür- liche Kleine Geburt. Derzeit schreiben Sie an Ihrem zweiten Buch über frühen Schwangerschaftsverlust. Können Sie uns schon etwas darüber verraten? In meinem neuen Buch beleuchte ich, ausgehend von meinen eigenen Erfahrungen, wie leicht eine Kleine Geburt erlebt werden kann. Zudem zeige ich Missstände auf, die leider gravierende Auswirkungen auf die Mütter haben. Ster- nenmamas, Ärzte und Hebammen werden zu Wort kommen und es wird Verbesserungsvorschläge und Tipps geben – für Sternenmamas selbst, für begleitendes Personal und die Gesellschaft als solche. Es geht mir bei diesem Buch vor allem darum, selbstbestimmten Kleinen Geburten zu mehr Wertigkeit und Akzeptanz zu verhelfen. Jedes Sternenkind ist besonders und verdient einen besonderen Abschied. Dazu gehört auch das intensive Gefühl der Trauer, das wir zulassen müssen. Geht es doch bei einer Fehlgeburt um nichts weniger als den Verlust einer kleinen großen Liebe. Mehr Infos zu Corinna Hansen-Krewer unter www.soul-feelings.de Eine ausführliche Version des Interviews finden Sie in unserem Web-Magazin 7