„Ich würde mich der Verantwortung jederzeit wieder stellen“
Nach mehr als zwei Jahrzehnten im Verwaltungsrat der IKK Südwest schied Rainer Lunk als dessen Vorsitzender und Mitglied im September aus. Ein Ehrenamt, in dem er viel für den Südwesten bewegt hat.
Warum haben Sie sich 2011 entschieden, den Verwaltungsratsvorsitz der IKK Südwest zu übernehmen?
Rainer Lunk: Ich finde es wichtig, sensibel für die Probleme anderer Menschen zu sein und zu helfen, wo es möglich ist. Deshalb habe ich damals gerne die Chance ergriffen, mich für die Gesunderhaltung der Menschen starkzumachen. Es war mir eine Ehre, als meine Kolleginnen und Kollegen mich nach zwölf Jahren Mitgliedschaft im Verwaltungsrat gebeten haben, den Vorsitz zu übernehmen. Als Innungskrankenkasse war die IKK Südwest noch dazu eine Herzensangelegenheit, weil ich selbst aus dem Handwerk komme. Basis unseres Handelns ist und bleibt diese Tradition. Das haben wir in all den Jahren nie vergessen.
Wie haben Versicherte und Arbeitgeber in den vergangenen Jahren von der Arbeit des Verwaltungsrats profitiert?
Die Entscheidung für unsere Strategie „regional und digital“ hat zu einem ganz besonderen Vertrauensverhältnis zu unseren Versicherten geführt. Seit Beginn meiner Amtszeit konnten wir unsere Versichertenzahl auf über 640.000 ausbauen und somit viele neue Kundinnen und Kunden von den Vorteilen einer Mitgliedschaft bei der IKK Südwest überzeugen – und das in einer Zeit eines sehr umkämpften Kassenmarkts. Das zeigt, dass sich unsere Kunden bewusst für eine Krankenkasse entscheiden, die den persönlichen Kontakt und die Nähe zu ihren Versicherten großschreibt.
Auch das Wachstum unseres Etats auf mittlerweile rund 2,2 Milliarden Euro macht uns stolz. Denn es ist Geld, das unmittelbar in die Gesundheitsversorgung und -förderung unserer Versicherten und Betriebe fließt. Als Verwaltungsrat ist es uns gut gelungen, zur Wettbewerbsfähigkeit unserer IKK Südwest für die Zukunft beizutragen.
Während Ihrer Amtszeit wurden viele neue Versorgungsangebote für Versicherte geschaffen. Auf welche sind Sie besonders stolz?
Grundsätzlich bin ich auf alles stolz, was die Gesundheitsversorgung unserer Versicherten nachhaltig verbessern konnte. Dabei sind viele Zusatzleistungen entstanden, die weit über den Südwesten hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt haben. Stellvertretend möchte ich PIKKO nennen – ein Projekt, das Krebspatienten unmittelbar nach ihrer Diagnose mental auffing und begleitete. Damit konnten wir eine echte Versorgungslücke schließen.
Dass unser Engagement auch immer wieder von Instituten und der Fachpresse ausgezeichnet wird, ist für uns ein zusätzlicher Anreiz. Wir erhalten regelmäßig Bestnoten in Vergleichstests für unsere Leistungs-, Digital- und Serviceangebote und gehören damit zu den Top-Krankenkassen in Deutschland.
Für unsere Versicherten ein verlässlicher Partner in der Region zu sein, wenn es um Gesundheit geht – das war und ist die Zielsetzung unserer Arbeit. Ein wichtiger Baustein dabei sind die vielen Gesundheitspartnerschaften, die wir in den vergangenen Jahren knüpfen konnten. Natürlich ist die zu meinem Herzensverein, dem 1. FC Kaiserslautern, eine ganz besondere für mich.
Ein wesentlicher Bestandteil Ihrer Arbeit im Verwaltungsrat war die Auseinandersetzung mit der Gesundheitspolitik. Welche Punkte stechen hier für Sie hervor?
Zwei Themen kommen mir direkt in den Sinn: die Autonomie der Selbstverwaltung und die Finanzierung des Gesundheitssystems.
In meiner Amtszeit gab es immer wieder Stimmen in der Politik, die die Selbstverwaltung in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken wollten. Das ist für mich ganz klar der falsche Weg – ganz im Gegenteil müssen Selbstverwaltung und Ehrenamt weiter gestärkt werden. Durch die paritätische Besetzung setzt sich der Verwaltungsrat gleichermaßen für die Belange von Versicherten und Arbeitgebern ein und erzielt so für beide Seiten sehr gute Ergebnisse. Eine zu große Abhängigkeit von staatlichen Stellen darf es nicht geben, da dies die Gestaltungsspielräume der gesetzlichen Krankenkassen deutlich einschränken würde.
Aktueller denn je ist der Aspekt der Finanzierung unseres Gesundheitssystems. Die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass es ohne tiefgreifende strukturelle Reformen nicht gehen wird. Kurzfristige Scheinlösungen müssen der Vergangenheit angehören, nachhaltige Änderungen umgesetzt werden. Einer der Punkte, die dabei unbedingt angegangen werden müssen: die Kompensation von Leistungen, die Krankenkassen seit Jahren treuhänderisch übernehmen. Herauszuheben sind hier die Leistungen für Bürgergeldempfänger. Die IKK Südwest erhält durchschnittlich pro Monat rund 110 Euro, wendet aber für einen Versicherten im Durchschnitt 270 Euro auf. Eine Unterdeckung von 160 Euro, für die im Moment die Solidargemeinschaft aufkommt. Das darf so nicht bleiben!
Wie Lösungen aussehen können, haben wir bereits konkret skizziert. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel würde einen der größten Kostentreiber im Gesundheitssystem entschärfen. Zudem bietet es sich an, die Einnahmen durch die Partizipation an Steuergeldern zu verbessern, etwa der Steuer auf Genussmittel. Vorschläge gibt es genügend, die Politik muss nur handeln.
Nach 24 Jahren endete im September Ihre Amtszeit. Was bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?
Ein Abschied, der mir nicht leichtfällt, aber wohlüberlegt ist. In Erinnerung bleibt mir vor allem eins: Wir sind füreinander da. Und das macht uns selbst in Krisen stark. Wenn ich an die schlimme Flutkatastrophe im Ahrtal denke, denke ich auch an rund 700 IKK-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Verwaltungsräte, die sich an einer Spendenaktion für die Hochwasser-Betroffenen beteiligt haben. 35.000 Euro sind so für die Hilfe und den Wiederaufbau vor Ort zusammengekommen.
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind einfach hochengagiert, dafür möchte ich mich bei jeder und jedem Einzelnen von Herzen bedanken. Das gilt natürlich ganz besonders auch für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinem versichertenseitigen Pendant Ralf Reinstädtler und unseren beiden Vorständen. Das ist nicht selbstverständlich. Mein Fazit nach nahezu einem Vierteljahrhundert bei der IKK Südwest: Ich würde mich der Verantwortung jederzeit wieder stellen.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich werde weiterhin als Vorstandsvorsitzender der WHG- Überwachungsgemeinschaft des Handwerks e. V. aktiv sein, wo wir rund 500 Betriebe in Rheinland-Pfalz und im Saarland im Umweltbereich zertifizieren. Und natürlich freue ich mich auch auf mehr Freizeit, die ich meiner Familie und dem Sport widmen werde.