
Gesunde Ernährung ist Champions League
Kraft, Kondition, kerngesundes Essen. Thomas Müller weiß nur zu gut, was ein Fußballer braucht, um topfit auf Torejagd zu gehen. Im Doppelpass mit Deutschlands bekanntestem Fernsehmediziner Dr. Matthias Riedl erklärt uns der Bayern-Profi, welche Taktik er bei der Wahl seiner täglichen Tellergerichte verfolgt.
Herr Müller, Herr Dr. Riedl, welches gesunde Lebensmittel landet besonders gern auf Ihrem Teller?
Müller: Brokkoli! Von dieser Vitaminbombe kann ich gar nicht genug bekommen.
Dr. Riedl: Ich schwöre auf Hülsenfrüchte wie Linsen und Bohnen. Die haben wenig Kalorien und Fett, dafür aber jede Menge satt machende Ballaststoffe und Eiweiß.

Thomas Müller: Der Fußball-Weltmeister und langjährige Top-Stürmer des FC Bayern München gehört zu den erfolgreichsten deutschen Fußballprofis. Aktiv ist er aber nicht nur auf dem Rasen: Abseits des Spielfelds ist Thomas Müller sehr interessiert an gesunder Ernährung und will Menschen motivieren, neue Dinge in der Küche auszuprobieren.
Klingt gesund. Aber was tun, wenn die eigenen Kinder partout kein Gemüse mögen?
Dr. Riedl: Man kann zum Beispiel fein püriertes Gemüse unter den Kartoffelstampf mischen. Wichtig ist, die Kleinen in der Küche miteinzubeziehen. Lassen Sie die Kids ruhig mal was ausprobieren und nach Herzenslust mit den Lebensmitteln rummanschen. Durch dieses aktive Mitwirken bekommt das Selbstgekochte bei Kindern gleich einen ganz anderen Stellenwert.
Warum ist es höchste Zeit, dass Familien sich gesünder ernähren?
Dr. Riedl: Weil 25 bis 30 Prozent der Kinder in Deutschland zu dick sind. Übergewicht wirkt sich auf die Gesundheit ähnlich dramatisch aus wie Rauchen. In der Jugend leiden bis zu einem Prozent der übergewichtigen Kinder an Diabetes Typ 2 oder haben mit erhöhten Blutzuckerwerten eine Vorstufe dazu. Mit der Zeit kann sich auch eine erhöhte Gefahr für Depressionen und Bluthochdruck entwickeln.
Aber warum greifen so viele Menschen dennoch zu Lebensmitteln, die ihnen nicht guttun?
Müller: Das Problem ist, dass die Auswirkungen einer ungesunden Ernährung meistens nicht direkt sichtbar sind. Die kommen manchmal erst nach zehn oder 20 Jahren – und dann kannst du nicht mehr zuordnen, dass es an der falschen Ernährung lag. Bewusstsein und Wissen spielen hierbei eine große Rolle.
Dr. Riedl: Viele Menschen sind überfordert mit Familie, Beruf und was sonst noch alles im Alltag ansteht. Und dann wird zu schnellen Lösungen gegriffen, sprich zu Fertigprodukten. Aber Fertigprodukte verkürzen nachweislich unser Leben. Das Sterberisiko steigt pro Fertiggericht am Tag – unter anderem wegen drohender Arterienverkalkung, die diese Produkte fördern können.
Sie warnen vor „Lebensverkürzern“ auf dem Teller. Welche sind das?
Dr. Riedl: An oberster Stelle stehen Backwaren, Limonaden, Wurst und natürlich Fertigprodukte. Das sollte man wissen und sie dementsprechend sparsam zu sich nehmen. Aber es gibt keine Verbote, alles eine Frage der Dosis – und die ist bei vielen viel zu hoch.
Ist gesunde Ernährung teuer?
Dr. Riedl: Nicht, wenn man saisonal und regional kauft. Ein Kohlkopf kostet in der Saison 99 Cent, da kann man irre viel draus machen. Das größte Problem ist aber, dass die Menschen die Menge an Fleisch, die sie für ihren Eiweißbedarf brauchen, überschätzen. Sie essen viel mehr davon, als gesund ist. Wir brauchen mehr pflanzliches Eiweiß für unsere Gesundheit und viel mehr Gemüse, Pilze, Samen oder Nüsse.
Müller: Aber wenn du zum Beispiel sechs Köpfe füttern musst, bist du auch froh, wenn du was in der Pfanne hast und es allen schmeckt. Wenn du da sagst: „Jetzt gibt’s gedämpften Kohlkopf!“, gibt’s wahrscheinlich lange Gesichter. Dabei gibt es leckere Gerichte, bei denen alle auf ihre Kosten kommen, zum Beispiel eine Linsen-Bolognese. Die kommt mit einfachen, günstigen Zutaten aus und schmeckt hervorragend. Uns ist wichtig zu vermitteln, dass Ernährung das beste Investment in die eigene Zukunft ist.
Hand aufs Herz: Essen Sie immer vernünftig – oder auch mal spontan nach Bauchgefühl?
Dr. Riedl: Ich esse, was mir schmeckt, aber ich behalte immer meine Gemüse-, Zucker- und Eiweißmenge im Blick. Und hochverarbeitete Produkte esse ich so gut wie nie. Mir geht’s nach einer Mahlzeit besser, wenn ich genug Gemüse auf dem Teller hatte.
Müller: Lust und Gewohnheiten wird man nicht so leicht los. Aber man sollte sie schlauer dosieren. Das Mittagessen im Job oder einen schnellen Snack zwischendurch kann man perfekt nutzen, um Sinnhaftigkeit und bewusste, gesunde Ernährung in den Vordergrund zu rücken. Dann kann man zum Beispiel auch bei einem Abend mit Freunden mal etwas über die Stränge schlagen.
Was brauchen wir, um uns gut zu fühlen und fit zu bleiben?
Dr. Riedl: Abwechslung ist wichtig. Als Faustregel gilt: Wir sollten 25 verschiedene pflanzliche Lebensmittel – also Gemüse, Obst, Kräuter und Nüsse – pro Woche zu uns nehmen. Wer das macht, deckt mit großer Wahrscheinlichkeit seinen Bedarf an Nährstoffen ab. Dadurch vermeidet man auch einen Ballaststoffmangel, unter dem die meisten Deutschen leiden. Darum haben wir so viele Zivilisationskrankheiten. Daneben ist Eiweiß wichtig. Wir essen so lange, bis wir unseren Eiweißbedarf gedeckt haben – darum machen auch fünf Tüten Chips nicht satt.

Sie haben gerade gemeinsam ein Kochbuch mit gesunden Rezepten veröffentlicht. Titel: „Kochen für kleine & große Champions“. Wie kam es dazu?
Müller: Ich möchte meine Reichweite nutzen, um auf das Thema Ernährung aufmerksam zu machen. Unser Buch regt dazu an, sich Gedanken über das eigene Essverhalten zu machen. Ich will niemanden zur Gesundheit peitschen. Aber ich möchte, dass jeder die Möglichkeit hat, an das Wissen darüber ranzukommen.
Dr. Riedl: Mir tut’s immer weh, wenn Patienten, die durch die falsche Ernährung krank geworden sind, zu mir sagen:
„Wenn ich das gewusst hätte …“ Wenn man weiß, was man tut, kann man fundierte Entscheidungen fällen. In puncto Ernährung gelingt das vielen Menschen leider nicht.
Was ist der erste Schritt zu einer gesunden Ernährung?
Müller: Das Bewusstsein. Dass man zum Beispiel selbst erkennt, dass zu wenig Eiweiß und Gemüse auf dem Teller liegen. Das nötige Know-how über die richtige Balance von Makronährstoffen – also Eiweiß, Fett und Kohlehydrate – ist für mich der Schlüssel. Auch die Ballaststoffe müssen wir im Auge behalten.
Dr. Riedl: Richtig. Man muss wissen, was wo drin ist, und sich darüber im Klaren sein, was das bedeutet. Ich scanne jeden Teller, der vor mir steht.

Dr. med. Matthias Riedl ist Internist, Ernährungsmediziner, Diabetologe, ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg und Gründer der myFoodDoctor-App. Bekannt ist er unter anderem durch die TV-Sendung „Die Ernährungs-Docs“ (NDR).