„Von nichts kommt nichts”
Sie springt von Rekord zu Rekord, gewann Olympia-Gold, holte zwei Weltmeister-Titel und wurde dreimal zur Sportlerin des Jahres gewählt. Doch wie schafft es Malaika Mihambo (30), sich immer wieder aufs Neue zu Höchstleistungen zu motivieren?
Ihr Leben als Spitzensportlerin ist geprägt von Glücksmomenten, aber auch Verletzungspech. Und meist entscheiden nur wenige Zentimeter über Sieg oder Niederlage. Wie verkraften Sie diese ständige Achterbahn der Gefühle?
Malaika Mihambo: Der Umgang mit Ängsten und Niederlagen gehört ebenso zum Sport wie das Gewinnen. In meinen Augen ist der größte Fehler überhaupt, bloß keinen Fehler machen zu wollen. Nobody is perfect! Aus Fehlern kann man lernen, an Niederlagen wächst man.
Schon als Kind waren Sie immer in Bewegung, probierten sich in Judo, Ballett, Yoga und Turnen aus. Was begeistert Sie an der Leichtathletik?
Die Vielfältigkeit der einzelnen Disziplinen. Hochsprung, Hürdenlauf, Speerwerfen – man kann sich nach Lust und Laune ausprobieren. Obendrein finde ich es spannend, mich mit mir selbst zu messen, eigene Rekorde zu brechen – ganz objektiv, in Sekunden oder Metern.
Talent oder Disziplin: Was ist für den Erfolg entscheidend?
Beides ist wichtig. Klar, als Kind hatte ich bereits Talent, das war nicht zu übersehen. Aber von nichts kommt nichts. Fleiß und Disziplin sind das A und O. Selbst in der Jugend versäumte ich kaum ein Training, nicht mal am Wochenende. Natürlich habe ich auch Freunde getroffen und gefeiert, aber ich konnte auch ohne Alkohol ausgelassen tanzen und Spaß haben.
Was steht bei Ihnen zu Hause auf dem Speiseplan?
Ich ernähre mich seit meiner Kindheit vegetarisch, verzichte auf Fleisch, Fisch und reduziere den Konsum von Milchprodukten. Mein persönliches Power-Food ist Gemüse mit seinen Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien. Morgens gibt es meist Hirsebrei mit Reismilch, dazu zwei Esslöffel gesundes Leinöl sowie Nüsse und Beeren. Mittags bereite ich mir meist leckere Linsen oder Eintöpfe zu und ergänze diese mit veganen Proteinquellen.
Viel Sport, kein Fleisch, kein Alkohol. So eine bewusste Lebensweise ist nicht für jeden selbstverständlich …
Schade eigentlich. Dabei haben wir doch nur diesen einen Körper. Umso wichtiger ist es, auf ihn zu achten und pfleglich mit ihm umzugehen. Auf die körperlichen und mentalen Grenzen schauen.
Sie haben kürzlich Ihr erstes Buch geschrieben. Warum trägt es den Titel „Spring dich frei“?
Jeder von uns trägt seinen Rucksack mit sich. Bei meiner persönlichen Entwicklung ging es im Wesentlichen darum, mich von meinem zu befreien.
Wie haben Sie die Meditation für sich entdeckt?
Viele Menschen tun Meditation als esoterischen Hokuspokus ab oder haben das Gefühl, nicht meditieren zu können. Zu Unrecht. Meditieren kann jeder, und längst hat die Wissenschaft die gesundheitlichen Auswirkungen von Meditation nachgewiesen, etwa auf das Gehirn, auf unser Immunsystem, den Blutdruck oder auch den Cholesterinspiegel.
Was macht Meditation mit Ihnen?
Wenn ich meditiere, kann ich mich ganz auf mich selbst fokussieren, dann bin ich mein eigener Anker. Für mich sind Meditationen eine wunderbare Möglichkeit, mich selbst besser kennenzulernen, Sorgen und Ängste anzuschauen und dann loszulassen. Heute akzeptiere ich mich, mit all meinen Schwächen und Stärken – das hilft mir auch im Training weiter.
In Ihrem Buch berichten sie, wie Sie schon als Kind wegen Ihrer Hautfarbe ausgegrenzt wurden. Das waren sicher sehr schmerzliche Erfahrungen.
Natürlich waren das sehr schmerzliche Erfahrungen. Es gab nicht das eine schlimme Erlebnis, sondern es ist die Summe der Mikroaggressionen, die sich tief in die Seele eingraben. Genau das ist ja das Schlimme daran. Rassismus hält die Menschen klein.
Haben Sie in späteren Jahren ebenfalls solche Erfahrungen machen müssen?
Ja, aber zum Glück sehr selten. Unabhängig von meinen persönlichen Erfahrungen ist es aber ein Thema, das leider wieder präsenter wird. Vorurteile und verbale Aggressionen schaffen ein toxisches Klima. Das dürfen wir als offene, liberale Gesellschaft nicht zulassen, sondern sollten uns demonstrativ für ein respektvolles Miteinander starkmachen.
Malaika Mihambo. Deutschlands erfolgreichste Leichtathletin wurde 2019 und 2022 Weitsprung-Weltmeisterin und holte 2021 in Tokio Olympia-Gold, bei den gerade beendeten Spielen in Paris kam eine Silbermedaille hinzu. Die Top-Athletin – persönliche Bestmarke 7,30 Meter – hat den Verein „Malaikas Herzsprung“ gegründet, mit dem sie Kinder im Grundschulalter fördert. Ihre Biografie „Spring dich frei – Mein Weg zu Achtsamkeit und innerer Stärke“ ist im Edition Michael Fischer Verlag erschienen.