
„Mir wurde klar: Es musste sich etwas ändern“
Mit 21 Nummer-eins-Alben und über 50 Millionen verkauften Tonträgern ist er der erfolgreichste Rockmusiker der Republik. Letztes Jahr feierte Peter Maffay seinen 75. Geburtstag – und verkündete zugleich seinen Abschied von der Tournee-Bühne. Im Gespräch verrät uns die Rocklegende, warum er heute gesünder lebt als je zuvor.
Herr Maffay, Sie haben letzten Sommer Ihren 75. Geburtstag gefeiert – mit einer großen Farewell- Tournee. Sagen Sie dem Rock ‘n‘ Roll endgültig Goodbye?
Peter Maffay: Keineswegs! Rock ‘n‘ Roll ist mein Lebenselixier, Adrenalin pur! Ich brauche diese Energie, diese Dynamik, die kreative Arbeit im Studio, meine Musiker- Familie – all das hält mich jung. Es wird auch weiterhin einzelne Konzerte geben, aber große, zusammenhängende Tourneen werde ich nicht mehr spielen.
Heißt das, Sie leben jetzt achtsamer?
Absolut. In jungen Jahren denkt man weniger an den Wert der Lebenszeit. Heute weiß ich, wie kostbar sie ist, und bemühe mich, möglichst wenig davon zu vergeuden.
Beschäftigen Sie sich heute mehr mit Ihrer Gesundheit als früher?
Definitiv. Ich habe mir jahrzehntelang nicht allzu viele Gedanken über die Folgen meines Lebenswandels gemacht, weil ich von Krankheiten und ähnlichen Problemen verschont geblieben bin. Lange bildete ich mir ein, dass mich nicht wirklich etwas treffen kann, und habe ordentlich Gas gegeben. Das änderte sich vor etlichen Jahren. Ein befreundeter Arzt stellte bei mir einen möglichen Lungenkrebs fest. In den Stunden, die es dauerte, die Diagnose zu prüfen, wurde mir klar, dass sich in meinem Leben etwas ändern musste. Der Arzt hatte sich zum Glück geirrt, aber mir wurde vor Augen geführt, dass ich nicht unverletzlich bin.
Was haben Sie genau verändert?
Ich hatte bis dahin Kette geraucht und relativ viel Alkohol getrunken. Das hatte sich im Laufe der Jahre immer weiter gesteigert. Auf beides verzichtete ich von heute auf morgen. Zu meinem Erstaunen völlig ohne Entzugserscheinungen. Zusätzlich fing ich an, Sport zu treiben und habe meine Ernährung umgestellt – auch, um mein Gewicht zu halten. Innerhalb weniger Monate habe ich gemerkt, wie gut mir das bekommt und dass das genau der richtige Weg für mich ist.
Hat Ihre Stimme damals nicht unter Zigaretten und Alkohol gelitten?
Doch, aber dieser Lebenswandel gehörte einfach dazu. Einen braun gebrannten, muskelbepackten Rocker konnte sich niemand vorstellen. Man musste fertig und irgendwie gebrochen aussehen. Wir waren der Ansicht, dass wir nur so das Beste aus uns herausholen konnten. Das war damals reizvoll, aber rückblickend betrachtet einfach nur blödsinnig. An diesem Lernprozess sind viele meiner Kollegen zerbrochen. Ich hatte Glück, dass diese Umkehr für mich zu einem Zeitpunkt stattfand, als sie noch machbar war. Seitdem rauche ich nicht mehr und trinke nur noch gelegentlich ein Glas Wein oder Bier, meistens jedoch Tee.

Und welchen Sport bevorzugen Sie?
Das Motorrad lasse ich mittlerweile viel öfter in der Garage stehen, allein schon wegen der Umwelt. Stattdessen schwinge ich mich regelmäßig aufs Mountainbike. Dafür habe ich meine zwei bis drei Hausstrecken, zwischen 10 und 15 Kilometer lang, und die werden morgens abgefahren. Zusätzlich gibt es bei uns im Tonstudio einen kleinen Fitnessraum. Darin stehen einige Geräte und ein Laufband, um sich auszutoben und auch mal für sich allein zu sein. Obendrein mache ich 100 Liegestütze pro Tag. Danach fühle ich mich einfach besser.
Das klingt sehr diszipliniert …
Das stimmt. Ich merke, dass die Anforderungen nur zu leisten sind, wenn ich mit einer gewissen Disziplin und Rhythmik lebe. Ich halte mich daran, und es funktioniert gut. Zudem habe ich einen sehr geregelten Tagesablauf. Ich bin Frühaufsteher, genieße den Tag und arbeite viel. Morgens bringe ich unsere Tochter in den Kindergarten und bin dann um 8 Uhr im Büro. Mein Tagesplan ist ziemlich dicht, aber ich könnte es absolut nicht genießen, zu Hause herumzusitzen. Das würde auch mein Umfeld nicht genießen. Die sind alle froh, dass ich noch in der Gegend herumturne.
Sie waren eine Zeit lang Juror bei der Casting-Show „The Voice of Germany“. Hätten Sie selbst in den 1960er-Jahren an so einer Talentshow teilgenommen?
Eher nicht. Musik und eine Jury entsprechen nicht meiner Auffassung von Rock ‘n‘ Roll. Das fing schon in der Schule an. Ich fand die Notenbewertung grauenhaft. Sie hat mir komplett die Lust auf das Lernen genommen, sodass ich in meinem letzten Schuljahr 185 Tage gefehlt habe, also eigentlich gar nicht mehr hingegangen bin. Wenn dann später in einer Jury Leute saßen, die mich musikalisch bewertet haben, lief das für mich auf dasselbe hinaus.
Die einzige Bewertung, die ich akzeptiere, kommt vom Publikum. Wenn die Leute beim Konzert lieber Bier holen gehen, hat man schlecht gespielt.

Vor Kurzem erschien Ihr Buch „Kein Weg zu weit – 55 Jahre Rock ‘n‘ Roll in Bildern“. Ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen?
Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, Erinnerungen greifbar zu machen und sie mit dem Publikum zu teilen. Das war ein ambitioniertes Vorhaben, denn es galt, Unmengen von Fotos zu sichten und zu sortieren. Während dieser Zeit wurde mir einmal mehr bewusst, wie großartig meine Lebensreise bis hierher war. Ich kann nur dankbar sein.
Wir danken für das Interview und wünschen Ihnen weiterhin alles Gute!
