Oktober 2023

Gewusst, wie

Gewusst, wie

Familie Fricke und die Selbsthilfe

Familie Fricke hat sich entschlossen, den sonnigen Sonntag zu nutzen, um einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Auf dem Marktplatz ist ganz schön viel los – denn dort macht gerade die Selbsthilfe-Bustour Station. Mit dem Thema „Selbsthilfe“ haben sich die Frickes noch nie beschäftigt – umso besser, dass Karina Klar-Reinert, Projektleiterin der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Saarland (KISS), da ist, um all ihre Fragen zu beantworten.

Karina Klar-Reinert, Projektleiterin der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Saarland (KISS)

Was ist Selbsthilfe überhaupt?

Wenn Betroffene und ihre Angehörigen – kranke Menschen und ihre Familien – sich ohne Leitung eines Arztes oder Therapeuten zusammenschließen, sprechen wir von Selbsthilfe. Es geht dabei darum, sich über ihre Erkrankung, die daraus resultierende Lebenssituation, Konsequenzen für die Lebensgestaltung und die Vertretung ihrer Interessen in der Gesellschaft auszutauschen. Selbsthilfe ist ein Bestandteil der Gesundheitsversorgung in Deutschland.

Das lässt sich am besten an einem Beispiel erklären: Nach einer schweren Diagnose, zum Bespiel Rheuma oder Krebs, bespricht der Arzt mögliche Therapien mit den Patienten und empfiehlt bestimmte Entscheidungen. Diese Situation ist für die Betroffenen sehr belastend. Sie brauchen mehr oder zusätzliche Informationen, die sie auf unterschiedlichen Wegen suchen können. Eine Möglichkeit ist, sich mit anderen Betroffenen oder Angehörigen auszutauschen. Durch die Reflexion der geschilderten Erfahrungen haben sie die Möglichkeit, neue Perspektiven zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen.

Ist das auch was für junge Leute?

Natürlich, Selbsthilfegruppen sind für alle Altersgruppen geeignet, auch für junge Leute. Ihre Zusammensetzung, Strukturen und Arbeitsweisen können aber unterschiedlich sein, da sie sich nach den Bedürfnissen der Teilnehmenden richten.

Kann jeder eine Selbsthilfegruppe gründen?

Ja, jeder kann eine Selbsthilfegruppe gründen. Unterstützung bieten die Mitarbeitenden von Kontakt- stellen für Selbsthilfe, die es in allen Bundesländern gibt. Hilfestellung erhalten gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppen auch von den gesetzlichen Krankenkassen. Sie können Ausgaben für ihre Arbeit über Zuschüsse finanzieren. Auch einzelne Projekte, zum Beispiel Vorträge, die die Arbeit der Gruppe unterstützen, werden finanziert.

Also kostet die Teilnahme an Selbsthilfegruppen auch nichts?

In der Regel ist die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kostenlos und selbstverständlich ausschließlich freiwillig.

Wie kommt man in Kontakt mit Selbsthilfegruppen?

Um eine Selbsthilfegruppe zu finden, gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen veröffentlichen Selbsthilfegruppe ihre Treffen in regionalen und überregionalen Zeitungen. Sie nutzen seit einigen Jahren auch das Internet, haben Webseiten und posten in den sozialen Medien, etwa auf Facebook.

Außerdem gibt es bundesweit Selbsthilfekontaktstellen. Ihre Mitarbeitenden suchen gezielt nach Informationen zu Gruppen und stellen sie mit dem Einverständnis der Gruppenleitenden in Datenbanken zur Weitergabe zur Verfügung. Ein Anruf bei der nächstgelegenen Kontaktstelle führt so zu Informationen über die Gruppe, ihre Ansprechpartner, Datum und Uhrzeit von Treffen und die Arbeitsweise der gesuchten Gruppe.

Wie sehen die Treffen von Selbsthilfegruppen aus?

Die Treffen werden von den Teilnehmenden eigenverantwortlich gestaltet. Im Mittelpunkt steht das Gespräch, der Austausch über die Krankheit, ihre Auswirkungen und die Beschreibung der aktuellen Lebenssituation. Die unterschiedlichen Erfahrungen der Mitglieder helfen bei der Krankheitsbewältigung. Sie unterstützen bei Entscheidungen über vorgeschlagene Therapien.

Selbsthilfegruppen treffen sich in geschützten Räumen, sie achten auf Diskretion und auf gegenseitigen Respekt und Wertschätzung.

Und bei welchen Krankheiten kann Selbsthilfe helfen?

Selbsthilfe kann bei allen Krankheiten unterstützen. Ein Treffen oder ein Austausch mit anderen Betroffenen oder ihren Angehörigen überwindet oder vermeidet Isolation, das Gefühl, ganz alleine zu sein. Sie vermittelt Wissen über die Erkrankung, über mögliche Therapien und über Methoden zur Krankheitsbewältigung. Der Austausch mit anderen führt aus Hoffnungslosigkeit und Lebenskrisen heraus und unterstützt bei der Entwicklung neuer Lebensperspektiven.

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