September 2022

Enttäuschender Entwurf der Bundesregierung

Enttäuschender Entwurf der Bundesregierung

Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist bereits seit vielen Jahren ein Thema, so auch unter der neuen Bundesregierung. Die immer weiter steigenden Kosten zwingen zum Handeln. Gerade daher enttäuscht der vorgelegte Entwurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und ist in dieser Form nicht hinnehmbar.

Die Prognosen zeigen auch für das Jahr 2023 nach oben: Deutliche Mehrausgaben alleine für die stationäre Versorgung veranschlagt die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland und damit auch die IKK Südwest für die Versorgung der Menschen in der Region. Trotzdem hinterlässt der erste Entwurf für eine Finanzreform, der am 27. Juli im Kabinett beschlossen wurde, bei Ralf Reinstädtler und Rainer Lunk, den Vorsitzenden des IKK-Verwaltungsrats, einen völlig unzureichenden Eindruck: „Unserer Meinung nach handelt es sich bei den vorgestellten Eckpunkten wieder nur um eine kurzfristige Überbrückungsmaßnahme.
Es wird der Eindruck einer Schein-Stabilisierung erzeugt, von nachhaltigen Änderungen ist aber nach wie vor nichts zu sehen.“

Rainer Lunk

Ralf Reinstädtler

Insbesondere bei den massiv gestiegenen Kosten für Arzneimittel, die einer der größten Treiber der Kostenentwicklung sind, hatten sich beide mehr erhofft. „Eine Maßnahme, die dringend angebracht wäre, ist die Senkung der Umsatzsteuer“, erklärt Ralf Reinstädtler. Allein reicht das allerdings nicht, es sind noch weitere Maßnahmen notwendig. Rainer Lunk sieht zur Stabilisierung der GKV-Finanzen darüber hinaus Handlungsbedarf, wenn es um den kostendeckenden Krankenversicherungsschutz für Arbeitslosengeld-II-Empfänger geht: „Eine Anhebung der bei Weitem nicht kostendeckenden Beitragspauschalen seitens des Gesetzgebers würde jedes Jahr der Versichertengemeinschaft aus Arbeitgebern und Mitgliedern rund 10 Milliarden Euro sparen, die damit für die originären Aufgaben der Krankenversicherung zur Verfügung stünden.“ Denn dieser Krankenversicherungsschutz für die Leistungsbezie­her von Arbeitslosengeld II ist eine sogenannte versicherungsfremde Leistung, also eine Aufgabe des Staates, die dieser lediglich an die gesetzliche Krankenversicherung delegiert hat.

Mit den vorgestellten Eckpunkten wird sich das Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eindämmen lassen. Für das Jahr 2023 ist prognostiziert, dass mindestens 17 Milliarden Euro fehlen werden. „Es ist bereits angekündigt, dass der Zusatzbeitrag um 0,3 Prozentpunkte steigen soll, was wieder eine Mehrbelastung für Versicherte und Arbeitgeber bedeutet. Für uns wird hier eindeutig in die falsche Richtung gesteuert – wir fordern eine deutliche Kurskorrektur, die Versicherte und Arbeitgeber entlastet“, sind sich Reinstädtler und Lunk einig.

Der Kabinettsentwurf des Gesetzes sieht außerdem ein Bundesdarlehen in Höhe von einer Milliarde Euro vor, dazu kommt ein Bundeszuschuss an die GKV aus dem Bundeshaushalt in Höhe von zwei Milliarden Euro. Drei Milliarden Euro sollen über Effizienzpotenziale bei Arzneimittelherstellern, Krankenhäusern und im ambulanten Bereich gehoben werden. „Auch die zusätzlich geplante ‚Einsparung‘, also das Abschmelzen der Rücklagen der gesetzlichen Krankenkassen, ist weder kurz- noch mittelfristig hilfreich. Damit wird ein strukturelles Defizit immer weiter vor sich hergeschoben und führt in Zeiten steigender Kosten für Energie und Lebenshaltung in 2024 möglicherweise zu noch höheren Beiträgen“, so Reinstädtler und Lunk abschließend.

Im Rahmen der Bundespressekonferenz des IKK e. V. am 22. August haben die Vorstände der IKK Südwest, Prof. Dr. Jörg Loth und Daniel Schilling, klare Forderungen für die mittel- und langfristige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung an die Politik gestellt: „Eine deutliche Verbreiterung der Einnahmebasis der GKV ist unabdingbar. Dies könnte durch eine Partizipation an vorhandenen Steuern auf die der Gesundheit entgegenwirkenden Genussmittel und Güter erreicht werden – insbesondere vor dem Hintergrund, dass der übermäßige Genuss von Tabak und Alkohol hohe Folgekosten für die GKV verursacht.“

Würde die GKV etwa hälftig an den Staatseinnahmen aus Tabak-, Alkohol-, Alkopop-, und Schaumweinsteuer beteiligt, würde das – gemessen an den Vorjahren – zu mehr als acht Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr führen und so helfen, das Defizit der GKV zu verringern. „Daher ist es legitim, über die Beteiligung der GKV an den erhobenen und gesundheitspolitisch motivierten Lenkungssteuern zu diskutieren. Denn das Ziel muss sein, im Sinne der Solidargemeinschaft einen weiteren Anstieg der Beitragssätze zu verhindern.“

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